Aus der Geschichte lernen

Erinnerung bedeutet immer Auswahl. Zwar kann sich niemand durch Verdrängung oder Entsorgung einer unliebsamen Vergangenheit aus der Geschichte verabschieden; aber er kann sich entscheiden, welche Akteure und Handlungen der Vergangenheit für ihn erinnerungswürdig sind und welche nicht – wir können sie, allein schon aus Achtung vor den Opfern, nicht in einer ehrenden, positiv besetzten Erinnerung behalten und darum auch nicht zu Straßennamen erheben.

Das Gespräch um die deutsche Vergangenheit findet überall statt und es lohnt sich tatsächlich, darüber nachzudenken, was bedeuten eigentlich Straßennamen. Straßennamen sind eben kein Geschichtsbuch, sondern Straßennamen sind wirklich etwas, womit jemand geehrt wird, womit jemand Anerkennung findet. Straßennamen sind etwas Positives und insofern liegt es nahe, dass wir uns überlegen, wie sinnvoll ist es, Straßen nach Menschen zu benennen, die für einen problematischen Teil der Geschichte stehen.

Vor einigen Wochen habe ich meine Hand zur Abstimmung gehoben, um Dieter Möller zu Ehren eine Straße zu benennen. Er hat viel Gutes getan, ich war gerne bereit dies entsprechend zu würdigen. Wir haben die Diskussion der Straßen „Brinker Ort“ und „Am Brinker Ort“ – Verwirrung durch Ähnlichkeit der Namen, verwaltungstechnische Vereinfachungen waren die Gründe um über eine Namensänderung nachzudenken – eine Bürgerbeteiligung war notwendig, um zu einem Beschluss zu kommen. Wir haben die Namensvergebung am Groweg, eine Siedlung geprägt durch Straßennamen berühmter Komponisten, neue Namen möchten doch eher neutral gehalten werden, um mögliche Komplikationen in Schrift, Form und Herkunft zu vermeiden. Die Diskussionen um Straßennamen werden im Diepholzer Rat emotional und intensiv geführt.

Und jetzt haben wir die Umbenennung der Hindenburgstraße und ja liebe Bürger*innen, Geschäftsinhaber, Betriebe,… ich bin mir dessen bewusst, dass es ein Verwaltungsakt ist. Es wäre besser, wenn eine Umbenennung der Hindenburgstraße nicht nötig gewesen wäre. Aber sie ist nötig.

1933 hat Hindenburg im Januar Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt. Nur zwei Tage nach seiner Amtsübernahme forderte er die Auflösung des Reichstags (Sozialdemokraten und Kommunisten bildeten bis dato noch die stärkste Kraft). Reichspräsident Hindenburg kam der Forderung Hitlers nach und löste den Reichstag am 1. Februar 1933 offiziell auf. Der Startschuss für einen rücksichtlosen Wahlkampf – der Ausgang sollte bekannt sein. Am 21. März 1933 ( kaum ein Schulbuch zur deutschen Zeitgeschichte verzichtet darauf) reicht Hindenburg, der gefühlte Kaiser, Hitler die Hand und ebnet ihm den Weg, der in den Krieg und nach Auschwitz führt – noch am selben Tag wurde das erste SA unterstehende Konzentrationslager in Oranienburg eingerichtet. Am 7. April 1933 beschloss Hitler ein Gesetz, das die Beschäftigung von oppositionellen und jüdischen Beamten untersagte. 

Am 28. April 1933, bei vollem Wissen und Gewissen über die Ziele Hitlers und der Nationalsozialisten, beschloss der damalige Diepholzer Rat die Umbenennung der Wilhelmstrasse zur Hindenburgstrasse. 

Und heute, am 30. März 2022, bei vollem Wissen und Gewissen, was die Konsequenzen der Handlungen Hindenburgs mit sich führten, stimmt der Diepholzer Rat über die Umbenennung der Hindenburgstrasse ab.

Ich habe aus der Geschichte gelernt. Ich werde daher heute sowohl dem Antrag meiner Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen zur Umbenennung Prof. Oppermann- , als auch dem Antrag der SPD Fraktion zu Otto-Wels-Straße zustimmen. Ehre wem Ehre gebührt.